Trotz alledem!
Das war die Zeit der Tollität,
trotz Lenin, Marx und alledem!
Nun aber, da es rückwärts geht,
nun ist es kalt, trotz alledem!
Trotz alledem und alledem –
trotz Modrow, Krenz und alledem –
ein wüster, rauer Wendewind
durchfröstelt uns trotz alledem!
Wer standhaft blieb und Leninist,
ließ es geschehn trotz alledem!
Nun war er plötzlich Konformist,
trieb mit dem Wind, trotz alledem!
Trotz alledem und alledem –
trotz PDS und alledem –
ein wüster, rauer Lügenwind
durchfröstelt uns trotz alledem!
Und ob auch blühte der Verrat,
wir sind noch da, trotz alledem!
Trotz Kapital und Merkelstaat,
es kommt die Zeit, trotz alledem!
Trotz alledem und alledem –
trotz Konfusion und alledem –
nicht lange schweigen wir noch blind!
Unser die Welt, trotz alledem!
25.12.16
Obdachlos
Dem Andy hat das Leben mitgespielt.
Nun ist er krank, die Seele will nicht mehr.
und jeder neue Tag bringt ihm Beschwer.
Das Leben kommt ihm vor wie tiefgekühlt.
Er wollte Heimat. Und jetzt hat er sie.
Ein paarmal Klinik. Das war nicht sein Ding.
Es musste weitergehen – irgendwie.
Dem Amte war er bloß ein Sonderling.
Betreuer gibt es heut wie Sand am Meer.
Mit hundert Fällen. Haben wenig Zeit.
Und Andys Leben rutschte ins Parterre.
Für ihn gab’s nur noch Ausweglosigkeit.
Allein. Jetzt war die Straße ihm das Heim.
Am Tage ging es ja – doch in der Nacht?
Ihm wurde keine Türe aufgemacht.
Und Andy machte sich drauf seinen Reim.
Er möchte schreien. Einmal tat er‘s auch.
Da warfen sie ihn raus aus dem Asyl.
Nun stand der Andy da wie auf dem Schlauch.
Wohin? Wohin zur Nacht? Das war zuviel!
Nachts ging er rum, er suchte einen Platz
zum Schlafen, wo man ihn nicht stören kann.
Die andern nannten ihn den Wandersmann.
Er wusste jetzt: Er ist der Bodensatz.
Und außerdem: Wie kalt die Nächte sind,
wenn irgendwo er schläft in einem Hauseingang.
Und manchmal auch im Vorraum einer Bank.
Dann fühlt der Andy sich als Sonntagskind.
Wenn er nichts findet oder nichts mehr geht,
kommt irgendwann, weiß er, der Kältetod.
Und Andy lacht: Fast wie ein Gnadenbrot!
Und hierzulande schlicht Normalität.
21.1.17
Alles eine Budgetfrage
Paul G., dem stadtbekannten Außenseiter,
dem flatterte ins Haus ein böser Brief,
als selig er auf der Matratze schlief -
vom Hauswirt, diesem Paragraphenreiter!
Zwei Stunden später las der arme Mieter,
was er bei Gott nicht glauben oder hoffen will,
und seine Uhr stand diplomatisch still,
was freundlich mitteilt ihm sein Hausgebieter.
Er las, dass es sich leider nötig mache,
den Mietzins anzuheben, wenn’s auch schwerfällt,
denn der Vermieter brauche Flüssiggeld -
Herrn G. sei doch verständlich diese Sache?
Paul G. war keinesfalls ein Kind des Glückes,
er kannte sein Budget auch viel zu gut.
Gebremst geriet ein wenig er in Wut,
bemächtigte sich zeugenlos des Strickes.
Die Polizei fand auch ein Abschiedsschreiben.
In ihm schrieb der Herr G., er sei es satt,
dass keiner mehr mit ihm hier Mitleid hat,
drum will auf Erden er nicht mehr verbleiben.
Und wer das las, der war zutiefst erschüttert.
Sein Schreiben tat dann auch der Presse weh,
als eines Mannes Lebensresümee,
der einsam war und viel zu sehr verbittert.
4.1.17
Weltschmerz
Die Welt ist ja so groß und unerklärlich.
Man sitzt in den vier Wänden vor sich hin
als Mensch und Mann und kleine Bürgerin.
Nicht unbequem, da sind wir doch mal ehrlich.
Die Menschheit stellt sich gegenwärtig taub.
Sie hat zu tun mit sich. Und keine Zeit.
Durchforscht jetzt ihre kranke Seele breit,
bewältigt ihren Alltag – mit Verlaub!
Fürs Überleben steigt der Aktienpreis.
Und keiner ahnt, was ihn das scheren muss.
Ansonsten nichts als heißer Brei und Stuss.
Nur manchmal ziept es uns im Herzen leis.
Es wird geredet. Aber nichts getan.
Die Sorgen kommen wieder, falls sie gehn.
Dass überhaupt und so, das ist obszön!
So rollt hinweg des Menschen Lebensbahn.
Die Welt ist ja so groß und höchst gefährlich.
Und keiner, der uns mal erklären kann,
warum es liegt und notfalls auch, woran.
Und wir stehn da, uns selber unerklärlich.
8.1.17
Ohne Netz
Ich spüre es, wir geben selbst uns auf.
Die Worte werden immer groß gesprochen,
wie sie aus heisern Hälsen rausgekrochen,
und davon gibt es mehr als nur zuhauf.
Wir bleiben stumm, es gibt kein Widerwort.
Es ist, als ob wir es nicht anders wüssten,
dazu die Unverfrorenheit noch küssten.
Wir leiden nicht an diesem Seelenmord.
Die lange Nacht raubt jedes Tageslicht.
Wir konstatieren es mit viel Gewese,
und schlucken ungeprüft noch jede These.
Und stehen rein vor jedem Weltgericht.
10.12.16
Sturmgeläut
Ach ja, wer zieht schon gerne um?
Von Innenstadt bis raus nach Gänseklein?
Ich gäb mein halbes Leben drum,
nicht fort zu müssen und bloß hier zu sein.
Hier hab ich, was das Herz erhebt:
Den Straßenlärm, den Bäcker nahebei,
und was im Viertel noch so strebt,
schräg gegenüber sogar die Pfarrei.
Doch wie das Leben mit mir spielt,
(man kann ja vieles haben, niemals alles),
der Hauswirt hat schon vorgefühlt
für einen sozusagen Fall des Falles.
Ich heiße doch nicht Zahlemann,
dem mache ich die feuchten Träume scharf!
Was der mich schlicht mal kann?
Der weiß genau, was der Vermieter darf.
Ich bleibe hier, ich zieh nicht aus.
Dem weise ich das Loch in meiner Tür,
und ist es hundertmal sein Haus.
Das wäre doch gelacht! Ich bleibe hier!
14.1.17
Wie hässlich, arm zu sein
Verflucht, ein Leben voller Widrigkeiten:
Kein Ausweg, ohne Geld ist man verloren!
Bist mit dem goldnen Löffel nicht geboren,
du spürst, was du entbehrst in diesen Zeiten.
Siehst hinter Glas bloß all die schönen Sachen,
dein Topf der Wünsche ist am Überlaufen –
ach, ohne Geld kannst du dir gar nichts kaufen.
Was du dir kannst, ist: Illusionen machen.
Du kennst es viel zu gut, dies Unbehagen,
so ein Gefühl in dir, kaum zu erklären,
am liebsten würdest du dich wo beschweren.
Du beißt dir auf die Zunge: Nur nicht klagen!
O Mann, was soll aus deinem Leben werden?
Kein Geld, nie lag dir’s schwerer auf der Seele.
Du schluckst es runter, eng ist dir die Kehle:
Gäb’s doch Gerechtigkeit auf dieser Erden.
5.11.15
Innere Station
Meine Augen verweigern
Den Dienst am öffentlichen
Gemeinwohl, reuelos, schlaflos
Liege ich.
Sie haben mir die Daunen verordnet,
ich sehe die Bilder, die Wolken
am Himmel, hier geht’s nicht
nach mir.
Und hinter dem Himmel
Wechseln die Dinge die Farben.
Die fliegenden Hunde
Sind angeschirrt an Bettpfosten.
Ach, ihr Wolkentiere
reihenweis.
2008
Bierdosenblues
Das hattest du dir so schön
gedacht, Sven, alter Kumpel: mit dem
Betrieb verheiratet, beim Meister
gut angeschrieben, die Welt braucht
Bierdosen, dir friert nichts ein,
das kann noch Jahre so gehen.
Das einzige, das letzte Wort
kam vom Herrn der Chefetage,
und das hieß Auslagerung.
Schwer zu begreifen für einen, der
immer loyal und arbeitsam
seine Schicht schob
und dachte, der Betrieb ist seiner,
den kann ihm keiner nehmen,
das geht für alle Zeiten so, durch alle
Krisen und Koalitionen. Was für ein
gutes, sicheres Leben! Glaubte er.
Bis er begreifen musste,
dass nichts bleibt, wie es ist,
dass er ein Rädchen im Betriebe war,
ohne das sehr vieles gehen konnte,
als der große Chef beschloss,
seine ihm zustehende Rendite
ohne unseren Sven zu machen.
Das Auto nicht abbezahlt,
Urlaub, das war einmal, und die Uni
für die Jungs bloß noch Absicht.
Sven begreift die Welt nicht mehr.
Was, verdammt, hatte er nur
falsch gemacht?
13.9.16
Ein Zwischenfall
Ein paar Minuten Zeit. Ich sah hinüber,
wo einer saß mit müdem Blick
am Rande des Verkehrs hier wie im Fieber.
So müd der Mann, so ohne Glück.
Man traf sich hier des Tags nach alter Sitte,
der alte Herr fiel gar nicht auf.
Die Eiligen beschleunigten die Schritte,
vom Bus zur Bahn ein Dauerlauf.
Doch plötzlich klang da irgendwas metallen.
Es dauerte, bis ich’s erfasst:
Paar Münzen waren in den Topf gefallen.
Ich hatte wohl nicht aufgepasst.
Der sah doch gar nicht wie ein Bettler aus?
Gekleidet ganz nach Alltagsnorm.
Gelangweilt blickte er zum Warenhaus,
schien mit den Leuten hier konform.
Verstört ging ich davon, den Kopf voll Fragen.
Nicht neu, sieht man‘s doch überall.
Nur, dies Gefühl in mir. Wie angeschlagen.
Und war doch bloß ein Zwischenfall.
4.4.16
Altes Spiel
Das Sterben beginnt,
sobald du dich selbst belügst,
nicht weißt, wofür du noch kämpfen
kannst, warum du jeden Morgen
wieder erwachst.
An einem beliebigen Abend
beginnt es, an einem der blassen Abende
wie so viele andere, die du deiner
Lebensuhr abgerungen hast,
solch ein Abend wird es sein.
Fragen wirst du:
Warum hassen, warum lieben?
Du wirst die Antwort vergessen haben,
und deine Uhr gibt auf zwischen
zwölf und eins.
9.9.15
Ach, sagen wir
Aus der Haut strömt
die Angst, wenn Himmel und
Erde verstummen und das
schöne schäbige Leben weniger
als nichts noch birgt.
Kein Wort holt
die Sehnsucht zurück, nicht
das Leben, das an uns vorbeizieht,
das uns nicht will, dessen
Fußtritt wir spüren.
Die blauen Tage von einst,
unversehens die Erinnerung
beim Anblick eines unschuldigen Bildes,
beim Begreifen eines Lächelns,
das anderen gilt.
Wir fragen uns nicht mehr,
wer wir sind, eine große Müdigkeit
umklammert uns, alle Träume
zu Schimären verschrien, und
aus der Haut strömt Angst.
24.7.15
Gewissheiten
Aber dass man auch
auf Erden glücklich werden kann,
nicht erst im Himmel, darüber
schweigen die Bücher, das passt
nicht ins Szenario des Todes.
Ach, Wolken ziehen
auch ohne uns, das Herz schlägt
seinen gewohnten Takt, vielleicht
gibt uns das zu denken,
hin und wieder.
3.8.15
Die andere Welt
Dass ich mich erinnere,
das nicht Sichtbare sehe mit Augen,
die nicht vergessen können,
ich greife nach ihm, versuche
zu verstehen, was ist.
Warum gerade jetzt,
frage ich mich, warum steigen
die Bilder auf von Zeiten
voll Wärme und Geborgenheit,
die lang schon verloren.
Warum gerade hier
unter der S-Bahn-Brücke mit der
riesigen BH-Reklame, auf dem Pflaster
die alte Romafrau, vor ihr der Strauß
welker Wiesenkräuter.
22.6.15
Keine Zeile wert
Keine Empfindung,
wir ertragen die Tage
wie der Esel den Tritt in die
Lenden, stolpernd und stolz
sind wir den Herren
zu Diensten
Wir sind konform,
kein Wort, das uns
verdächtig machen könnte,
wir zweifeln an nichts, weil
Zweifel aller Ende
Anfang ist
Keine Zeile wert,
keinen Gedanken darüber,
keine Zeile wert auch nicht
der Blick in den Spiegel,
der uns zeigt und nicht
erschrecken lässt
2.6.15
Das, was ist
Verirrt in die Straßen der Kindheit,
stand ich vor den bekannten Häusern;
noch immer üppiges Grün, Duft von
Rosen wie damals, als unser Leben
einzig ein Traum war
Die Hausnummern sprachen
von uns Kindern, der und die wohnten
dort und dort, noch einmal die Rufe
der Mütter, noch einmal die Gerüche
der Hauseingänge
Ein Sandsturm die neue Zeit,
verwehte die Burgen der Kindheit,
gläsern ragte ein Haus in die Straße,
mit schreiendem Namen, ich wollte
ihn mir nicht merken
Still war es, nirgendwo
spielende Kinder, die Straße nun halb
in der Sonne, mitten durch
die Menschenleere ging ich, gepeinigt
vom Lärm meiner Schritte
Zuletzt noch einmal die Rosen
vorm Haus, suchend ein Blick hinauf
zu den Fenstern, zu fremden Gardinen,
und mir war, als geriete ein wenig
das Herz aus dem Takt
26.5.15
Der Träume Lauf
Gehen die Abende,
gehen wir in die Nacht ein
als Schatten des Tages,
der uns längst vergaß
Leben kommt
am Morgen, wir treten
in den neuen Tag, noch sind wir
im großen Schlaf
Wir fragen uns,
wer wir sind, wer wir
sein werden, wissen nicht,
ob es uns gibt
Noch glänzt der See
der Träume in den Augen,
doch gnadenlos entlarvt
der Tag sein Gesicht
10.5.15
Weltverloren
Vor allem aber
die Einsamkeit, die mich
würgt, die mich das Schweigen
der Wände hören lässt
wenn ich mich in meine
Wortlosigkeit vergrabe, dieses
bedrückende Verdorren
in der Verlorenheit der Stille
Die langen Stunden,
das Jahr vergeht, und selbst
der Frühling unbemerkt,
nie war er hier
5.5.15
Unschärfen
Etwas fehlt,
du ringst nach Luft, zu schwer
das Leben im Gatter,
um einfach zu sein,
einfach so
Dich treibt es hinaus,
irgendwohin, erreichst nie
den Punkt ohne Umkehr,
immer zwingt es dich
an den Anfang
Unscharfe Bilder,
Erinnerungen eingefroren,
Sehnsucht, immer dieselbe,
und du weißt nicht,
wonach
15.4.15
Dinge des Lichts
Mehr und mehr das Gefühl
von Sonntag, obwohl es Mittwoch
ist, wir lassen die Wimpern herunter,
versagen uns große Träume
Der Himmel grau, ein leichter
Regen, wir der Erde abgewandt,
allein mit dem Ungewissen,
der nackten Dürftigkeit
Geräusche aus weiter Ferne,
überm Horizont ein trauriges Licht,
wir verabschieden uns, wenn
wir nur wüssten, wovon
21.3.15
In der Kälte
Der späte Winter endet nicht,
die Gewissheit nicht,
dass keine Sehnsucht kommt
in den Schuhen des Jahrs,
im Märzrauch der Tage
Entsagender Blick in die
Landschaft der großen Kälte,
in der wir uns niederlassen,
allen Hoffens entblößt,
dies und kein Ende
13.3.15
Lebensentwürfe
Da sind nur die Autostraßen, die
Kreuzung und ihre dampfenden
Bulldogs, die weißen Fenster, hinter
denen die Illusionen lauern
Alles geregelt, die Straßen
sind aufgeräumt, wir leben nach
dem Kalender, und an der Ampel
wartet das Glück auf Grün
Gewöhnt ans Sehnen nach
dem, was nicht ist, überdauern wir
Jahre, vergeblich der Griff
nach der Taube auf dem Dach
12.3.15
Leben spüren
Leben immer nur Traum,
hin zu den Meeren, den Bergen
im Schnee, zum stillen See
in verschwiegener Landschaft,
in die Ebenen weit
Hier das Häusergrau,
die Hektik des Straßenverkehrs,
das Pseudodasein im Großraumbüro,
die ehernen Marktgesetze,
seltsam fremd fühlst du dich
Du trittst neben dich,
begreifst das Irrationale des Heute,
dein ungelebtes Leben, bohrend
der Verdacht, dass die Welt
dir etwas vorenthält
Du vergräbst dich in die Suche,
ahnst etwas von der Größe
und der Kleinheit des Lebens,
grübelst
und kommst zu keinem
Ergebnis
Erst der Schatten
eines herbstlichen Ahornwalds
belehrt dich, und schmerzhaft
erinnerst du dich der Abendsonne, rot
wie deine Sehnsucht ins Freie
2.3.15
Ausdauer
Die Nachmittage, ehe es
dunkelt, auf ihre Art graben sie sich
ins Gedächtnis, wenn du die
verlorene Zeit spürst, den
kleinen Schmerz
wenn die Sonne sehr langsam
hinter die Dächer wandert
die Fensterscheiben ins Rötliche
wechseln und du resümierst die
Nichtigkeiten des Tags
und du weißt, die Nachmittage
gleichen sich, auch morgen
ein Nachmittag wie dieser und du
kannst es nicht ändern, ob
du auch willst
23.2.15
Solitude
Manchmal fehlen die Wörter
den Tag zu beschreiben, der seine
Stunden in die Stille der Räume senkt
dass mir ein Ahnen kommt, wie
das Ende sei von allem
Ich blättere in meinen Büchern
vielleicht erklären die Dichter, woher
die Leere der Zeiten gekommen
welche Rückzüge ein Mensch braucht
um wieder er selbst zu sein
Hier, wo alles Schein, wo die
Gedanken käuflich sind, hier leben
wie die Schwalbe unter dem
Dach einer zerschossenen Scheune,
als sei nichts gewesen
17.2.15
Ahnen, was Glück ist
Du hast nachgedacht, was Glück
sein könnte; vielleicht, sagst du dir, teilt uns
Sterblichen da oben jemand die Ration
Glück ein - nur so, aus Langeweile
Glück ist, wenn das TV heut Sonne
verspricht, wenn du morgens erwachst und
es regnet tatsächlich nicht, die schirmfreien
Tage sind Glück perfekt
Glück auch, wenn du zur Straßenbahn
rennst und du kriegst sie noch im letzten
Moment, und dann fährt sie ab und du
bist drin, sogar mit Sitzplatz
Ja, manchmal, da denkst du dir,
es müsste noch etwas geben, was mehr ist
als ohne Unglück zu sein, und dann
kommst du nicht drauf
16.2.15
Seltene Einsicht
Nicht die Zeit, neues Leben
zu suchen, wir hatten das volle Maß;
was ungelebt blieb, ersetzen uns
Illusionen aus dem TV
Des Lebens Rand erreicht
schon in der Mitte der Jahre, wir atmen
ohne Begierde, viel Steine ins Dasein
getrümmert, kaum blieb der Hall
Wohin mit den Narben
mit den Brüchen in uns; wenn auch
der letzte Stein gefallen, woran
werden wir uns erinnern
15.2.15
Ins Nichts vergehen
Wir sind gut vernetzt, wer
vernetzt ist, wird wahrgenommen,
immer größer aber werden die Distanzen
von Mensch zu Mensch,
zu uns selbst
Alle Hemmungen sind
abgelegt, unser Verweilen in der Welt
ist nur eine Frage von Zeit, die es
zu besiegen gilt, sie widerspricht
der kreativen Natürlichkeit
Leben mit dem Vergessen, dem
Verschweigen, mit Glücksersatz, wir
haben uns daran gewöhnt, wie wir
uns an Tag und Nacht gewöhnten, an die
warmen und kalten Jahreszeiten
Verloren, wie wir sind, spüren wir
unsere Verluste nicht; die vor uns waren
auf der Suche nach dem Wir, dem Glück
menschlichen Daseins und Friedens,
wie’s aussieht, vergebens
13.2.15
Schöne Aussicht
Unser Aufenthalt in der Zeit
ist vergänglich, die uns bemessenen
Tage schmelzen dahin wie Schnee
im Frühjahr, wenn der Planet Erde
der Sonne sein frierendes Antlitz
zuwendet und die Amseln
erste Gesänge probieren
Schwer zu begreifen;
unsere Einmaligkeit erhofft sich
Unsterblichkeit, unsere
Hinterlassenschaften beweisen
vielfaches Gegenteil, die Mauern
von Troja sind längst gestürzt, klaglos
wird auch Manhattan versinken
Was geboren, wird Rauch
allmählich verglüht unter den
Sonnen, unsere Verse verstauben
im digitalen Archiv, die Nachkommen
belächeln uns, froh werden wir sein
finden wir irgendwo den Platz
für ein namenloses Grab
10.2.15
Rosengedicht
Schon längst geht es nicht mehr
um Glück, um Schönheit, um Silbermond
und güldene Sterne, die Rosen so rot
sind auch nicht mehr, was sie einst waren
Ja, die Wahrhaftigkeit, das Glück
vielleicht, dass sie der DHL-Bote rumbringt
als Versandhauspaket, gegen Nachnahme
und kleines Trinkgeld
Vielleicht auch erzählt er mir
seine Geschichte zwischen Treppenflur
und Wohnungstür, cool und kurzatmig
während ich den Empfang quittiere
Mag sein, auch ihm geht es schon
längst nicht mehr um Glück, um Schönheit
mag sein, ihm reicht schon das bloße
Verweilen in dieser Welt
Schön wäre es, ein Gedicht zu schreiben
von Schönheit, Silbermond, von
güldenen Sternen, und wären die Rosen
noch rot, so rot, wie sie einst waren
30.1.15
In gewissen Nächten
agieren die Toten, du fasst
das Dunkel mit Händen, spürst
dein Nichtsein in solchen Nächten,
etwas wie Rausch, unverhofft, drängt sich
in Gedanken, die nie sonst kamen
Nächte aus Bildern der Kindheit
aus Fernsehmeldungen, halbvergessenen
Gesichtern und Schmerz über Versäumtes
wollen nicht enden, du fragst
was weißt du von dir
24.1.15
Unzutreffende Gleichnisse
Immer vergleiche ich
die Nacht mit dem Tage, die Sprache
des Menschen mit seinem Schweigen, seinem
Verbergen gewisser Wahrheiten
seinem Schmerz beim Erkennen der
erlernten Unzulänglichkeit
Ich vergleiche die Gleichnisse
der Dichter mit Verkündigungen des Jesus
der in den Sand schrieb, die prozentuale
Übereinstimmung lässt dreifach Wünsche offen
wahrlich, Dichter sind keine Jesusse
ein Pferd für ein Königreich
In der dreizehnten Stunde beginnt
das Licht dem Dämmer zu gleichen, wir hängen
an der Nabelschnur unserer Phantasmen
unsere Befürchtungen gleichen
dem Ungeheuer von Loch Ness
das nicht sterben darf
22.1.15
Verse von Zeit
Nun, da die Menschheitsliebe verloren,
verlieren wir auch die Zeit, das Vermächtnis
zu kostbar, das die Mütter uns ließen,
ihre und unsere Zeit
Sie flieht uns, sie hat keinen Anfang
kein Ende, kennt nicht den Schmerz
des Vergehens, unser Verweilen ist kürzer
als der Gedanke an sie
Nie hatten wir Zeit, doch nun,
da die Verheißung des Lichts eine Schimäre,
nun, da wir uns seufzend selbst verlassen
nun haben wir Zeit
17.1.15
Zufällige Einsicht
Die Schaufensterscheibe lügt
die Fremde bist nicht du, die dich
da anblickt, die Augen, die Lippen
die schattige Stirn.
Offen das Verhüllte
das niemals Wahrgenommene, das deine
Erde betrat wie Feuer, wie Luft, du
hast kein zweites Leben,
vergaßest, dass
dein Leib dem Tode geweiht ist.
Leben´nahmst du, wie es war, und es war schwer.
hör auf die Stimme der Jahre.
Traurig gehst du durch Straßen
die dich vergessen werden, die Spur
deiner Schritte wäscht der
nächstbeste Regen ab
10.1.15
Reden vom Regen
Beschreib die Stunde des
Regens, wenn die Schatten sterben
wie Menschen, deren Fehlen keinen
mehr kümmert, wenn die
Nachkommen Gräber schänden,
die Orchester Halleluja intonieren,
unüberhörbar, die Gegenwart
ihre Gefräßigkeit füttert
Kein Ende der Welt, nur ein
kleiner Regen, kleines pathetisches
Reden vom Regen, ohne Sinn,
einfach nur Regen
6.1.15
Zeitgenössisches
Ein Gedicht, geschrieben
in der ersten Nacht des Jahres, Raketen
knallen, vorzüglich geeignet, unsere Leere
zu verdecken
Die Großstadt nach irrigem Rausch,
ihre alten Toten ruhen im Sande des
Erinnerns, wir treten auf sterbliche Reste.
Tote vollbringen keine Wunder, ungeboren
die Lebendigen, meine Hoffnung
ist minimal
Dunkel drückt der Himmel
auf steinerne Leiber, das Gros der Stadt schläft
ohne Geheimnis, von Künftigem will es
nichts wissen, rastlos geschäftig,
hat es sein Sterben verklärt
Ich übertreibe nichts, vermute nichts,
entspreche keinerlei Erwartungen,
die Schwerkraft der Stunde
lastet auf mir
1.1.15
Schattengelage
Verloren in der Fremdheit,
der Niedertracht von Nichtigkeiten,
sitz ich gefangen, gezwungen
an fremden Tischen
Wüstes Gelächter, schmutziger Regen
stürzt nieder auf mich, der Himmel
fällt stumm, und ein Leben kostet nicht mehr
als ein zufälliger Blick
Ich denke an die Kirschbäume
in meinem Garten, die fliegenden Blüten,
behüte mein Erinnern hinter
Schweigen und Lächeln
27.12.14
Vita
Ich will meine Trauer,
meine Geschichte nicht verlieren, nicht
was ich meine Irrtümer nenne, nicht
die Zornesfalten und nicht
die Schönheit des Menschengesichts
In mir lebt das Echo der Zeit,
sie, die allwissenden Sphinxe, sagen
meine Zeit hätte es nie gegeben, eine Schimäre
sei sie, der Stern, dem ich folgte, habe mir
Trügerisches versprochen, und nun
sei er ein kalter Stern, verstehen lernen
müsste ich ihre gelehrten Lügen, meine Geschichte
sei eine falsche Geschichte
Nein, kein Verzweifeln, ich lebe
mit meiner Geschichte, jeder Tag ein
kleines trauriges Lächeln
26.12.14
Lebenslauf
Fraglos, ich bin geboren, und
wäre da eine Wahl gewesen, ich hätte mir
diese Zeit nicht ausgesucht, mein Leben
auf einem Blatt Papier
Wer wissen will, wie es war:
Bedeutungsvolles sieht man den Daten
nicht an und nicht, was ich von ihnen halte;
nur vor Gericht wird mehr verschwiegen
Doch diesen Riss, wie soll ich
ihn datieren, diesen Riss zwischen mir
und der Welt, den Illusionen, mit denen
wir leben müssen
Mein beiläufiges Leben -
zu unbedeutend, als dass ich lügen
wollte, zu groß, es mir selbst
zu verschweigen
19.12.14
Aus dem Trödelkeller
Ja, glücklos lebt‘s sich nach der Norm dahin,
kaum können wir noch wahres Glück ermessen,
was Menschsein heißt, darf man getrost vergessen,
wir fragen nicht mehr nach dem kleinsten Sinn.
Das nackte Schweigen, es folgt jedem Schritt,
schon halbe Wahrheit müssen wir bezahlen,
und Widerspruch, der wird im Nu zermahlen.
Wer auf sich hält, geht mit den andern mit.
Der Schleier kühner Worte deckt nichts zu,
wir jagen Monstren, die uns selber jagen,
verschmerzen krampfhaft unsre Niederlagen.
Was zählt, ist Geld, das große Manitou.
14.11.14
Reden von B. am See
Die Rede kam auf B.,
dieses B. am See, das der einst dort
siedelnde Dichter lebend so nicht
kannte und tot so gewiss nicht
wünschte.
Nicht vergessen
der Traum von B. am See, diesem B.,
in dem die Katzen auf Zäunen hockten,
Schwäne in ihrem Flug
die Dächer streiften, wo sich
Fischerhäuser ihrer grauen Mauern
nicht schämen mussten, wo die Luft
leicht war wie das Dach
überm Kopf.
Die neue Zeit nahm, was ihr
niemand verwehrte, der See jetzt
weltläufig Wellnessoase, die Katzen
hocken nicht mehr auf Zäunen,
die Schwäne sind ausgeflogen,
und die Luft ist schwer wie ehemals
die vollen Fischernetze.
Dort leben nüchterne Leute,
angeblich vermissen sie nichts,
nur manchmal, wenn die Rechnungen
im Briefkasten liegen, spüren sie etwas,
was sie sich nicht erklären können,
etwas wie Sehnsucht nach den Schwänen,
den Katzen auf Zäunen, nach ihrem
alten B., diesem B. am See.
10.11.14
Zeitstenogramm (Stanze)
Ach, zeigte mir die Uhr doch meine Zeit,
die wäre dann vielleicht noch zu ertragen.
Ich dächte dann, wer weiß, mit Dankbarkeit
an sie zurück, an ihre dummen Plagen,
ich läge dann mit ihr nicht mehr im Streit
und haderte nicht mehr mit tausend Fragen.
Doch zeigt mir meine Uhr nur Stunden an,
sie tut, was Ihres ist und was sie kann.
6.11.14
Sorgen ums Morgen
Wer weiß es schon, was morgen wird?
Manch ein Prophet hat sich geirrt.
Da ist ein Warten und ein Hoffen,
dass alles, alles sich kann wenden,
liegt doch das Glück in unsern Händen,
und noch ist alles, alles offen.
Ans Gestern denken wir noch kaum,
was war, erscheint uns nur als Traum.
Das Glück von einst liegt in der Ferne,
hat keinen Wert als alter Groschen,
ist Illusion und abgedroschen,
verträgt sich nicht mit der Moderne.
Wer weiß es schon, was morgen wird,
wenn auch Propheten sich geirrt.
Die Zukunft liegt in weiten Fernen,
mit großen oder kleinen Sorgen.
Der Tag erwacht an jedem Morgen -
was mit ihm kommt, steht in den Sternen.
20.9.14
Der Emigrant
Ich hatte einst ein schönes Vaterland,
so schrieb vor langer Zeit der Dichter Heine.
Mein Vaterland, es ließ mich einst alleine,
jetzt bin ich nur ein stummer Emigrant.
O nein, mein Land war nicht sehr imposant,
lag auch nicht immer nur im Sonnenscheine,
doch war es mir von Herzen nur das eine,
ihm danke ich mein Fühlen, den Verstand.
Das darf man heute niemandem mehr sagen,
in diesem Lande soll ich davon schweigen,
sonst muss ich ernste Konsequenzen tragen.
Das Land, das ich verlor, trag ich im Herzen,
nur heimlich darf ich mich vor ihm verneigen.
Du armes Vaterland, du Land der Schmerzen.
10.9.14
Das Gewissen
Wie lang doch eine lange Nacht sein kann.
Und selbst in deinem Traume war es Nacht,
nun liegst du da, ganz fest in ihrem Bann.
Bist viel zu früh nun wieder aufgewacht.
Was kannst du tun, du bist mit dir allein.
Das Einst, du siehst es vor dir noch genau,
auf deiner Seele liegt es wie ein Stein.
Jetzt wartest du und hoffst aufs Tagesgrau.
Du lauschst dem Rausch der Stille. Wie sie dröhnt.
Dass man das Bild von einst so schwer vergisst,
hast dir die Gegenwart doch oft geschönt.
Versperrt der Ausweg, keine Galgenfrist.
Dies Bild. Und immer auf der Flucht vor dir.
Warum nur denkst du selbst im Traum daran?
Es frisst an dir, es ist ein wildes Tier.
Wie lang doch eine lange Nacht sein kann.
Der kleine Überfluss
Als blasser Underdog hat man's nicht leicht.
Was Mitleid heißt, das hat die Welt vergessen
und meint, dem Kerl ist das doch angemessen.
Dir folgt das Pech, bist matt und ausgebleicht.
Ein Stückchen Glück, das hätte dir gereicht.
Du hast dir noch kein Bäuchlein angefressen,
liegt wohl auch kaum im eigenen Ermessen,
du bist auf Schmalhans' Küche doch geeicht.
Den kleinen Überfluss, für den man lebt,
auch wenn er ständig dir vor Augen schwebt,
den kannst du dir beileibe niemals leisten.
Du trägst dein Etikett wie angeklebt,
dein Leben lang hast du umsonst gestrebt.
Doch geht wie dir es nicht den allermeisten?
16.8.14
Erst mal leben
Angst treibt dich ins
ins Schneckenhaus, zur Flucht
ins Private, du versteifst dich
aufs Selbstmitleid, hast
das Schwimmen im Meer verlernt.
Du tolerierst
auch den, der dich töten wird,
dein Schmerzensbaum wurde schon
gepflanzt; lausch in die Stille -
wie groß Leben sein kann
und wie klein
3.7.14
Übrig gelassen
Die Münze der Jahre.
Bezahlt, was bezahlt werden musste.
Keinen Rabatt gab das Leben.
Uhrenlos die langen Stunden
des gnädigen Selbstbetrugs. Schwarze, unrettbar
lieblose Stunden.
Widerworte wie Rauch, verweht in den
Essen der Zeiten. Vergeben die Sorglosigkeiten,
verschluckt vom Schlund des Vergessens.
Nur der Schritt ins Helle zählt.
Ewigkeit – das Lächeln eines Kindes.
Was bleibt noch zu sagen.
29.6.14
Poesie des Verzweifelns
Diese Handvoll Licht
ein blakender Schatten noch, der Ton
früher Jahre verklungen. Auf offener See
verlernten wir das Schwimmen.
Wir trotten
unseren Träumen hinterher,
den schmerzensreichen, gekonnt
übersehen wir den Charme des Unfertigen.
So, in der trägen Poesie des
Verzweifelns, erliegen wir der Invasion
des Unabänderlichen.
Wir sind leidensfähig;
wir spiegeln uns in Elend und
Glanz der Verkrüppelung,
arrangieren uns mit der Hölle
der Ausweglosigkeit.
27.6.14
Herzenssachen II
Kein Laut,
das Gestern fließt ins Heute ungestört,
und Herzen horten kalt wie
Stein die Zeiten.
Hervorgepresst aus tiefen
Dunkelheiten, ist keines jener Herzen
jemals aufgetaut. Und kein Begreifen
ist da noch, die Frage quält:
Wie nur ertragen?
Und doch, kein Fragen mehr, das Wissen :
Das Herz, es muss erstarren,
es überlebt doch nur
als Stein.
21.6.14
Das Leben ein Spiel
Flirrendes Licht
der ahnungsschwangeren Zeit. Verspüren
der eigenen Fremdheit und der sprachlosen
Traurigkeit der Nachmittage, den Blick getaucht
ins vage Glück, ins große Bald.
Lust auf Emotion.
Das Leben als nie mehr endender
Traum, dies Arrangieren mit der Chance
des Unwahrscheinlichen. Willkommen
selbst die Verzweiflung.
Nie kränkt der Verlust, ein stetes
Wandeln auf dem Marmor des Selbstbetrugs,
so das sichere Ende erwartend,
am Abgrund, in der Faust
die Münze des Glücks.
18.6.14
Schattenplätze
Unter der S-Bahn-Brücke
sammeln sich, in aller Herrgottsfrühe,
menschliche Abfälle, die um einen Platz
im Schatten kämpfen.
Peinlich ihnen, was mitleidheischend
wäre. Trotzig hocken sie auf dem
Steinpflaster, bieten Vorübereilenden
ein Bild der Verzweiflung und
Waldmaiglöckchen an.
Manchmal sogar lächelt eine, um zu
beweisen, wie gut es ihr geht. So
taugt sie nicht einmal zur
Dokumentation eines realen Beispiels
selbstverschuldeten Elends.
16.6.14
Eine ganz angenehme Woche
Gesichtslos fängt die Woche meistens an.
Am Montag quält man sich, es muss ja sein,
auch wenn man ihn zumeist vergessen kann.
Ja, so ein Montag ist ganz schön gemein.
Am Dienstag ist es schon, als ob nichts war.
Die Arbeit flutscht, wie immer brüllt der Chef,
heut schlecht gelaunt, doch schön berechenbar,
man hat sich schon gewöhnt an sein Gekläff.
Am Mittwoch ist man in der Woche drin,
das ist ein Tag, den man zu Recht vergisst.
Auch er muss sein, man kommt da nicht umhin,
auch wenn man seinen Sonntag schon vermisst.
Den Donnerstag, den schreibt man meistens ab.
Passiert ja nichts, was im Gedächtnis bleibt,
auch mit der Arbeitslust wird's langsam knapp.
Verlangt ja keiner, dass man übertreibt.
Am Freitag ist die Woche fast schon rum,
und man riskiert auch mal den Blick zur Uhr.
Man schlägt noch einmal kräftig zu – kurzum,
man setzt beim Chef sich hübsch in Positur.
Am Wochenende ist man halb gelähmt,
man fühlt sich fremd, wie unter einem Bann.
Es ist, als ob man sich der Faulheit schämt.
Und Montag fängt die nächste Woche an.
18.5.14
Und der Haifisch ...
Wenn einer alt und krank ist, nicht mehr kann,
und auch kein Geld hat für die Wohnungsmiete,
so darf er damit rechnen, dass er dann
gefeuert wird - der Hauswirt will Rendite.
So ging’s am Wedding einer armen Frau.
Man hat sie zwangsgeräumt. Mit Polizei.
Proteste gab’s, viel Auflauf und Radau,
die Nachbarn und der Hauswirt warn dabei.
Zwei Tage später war die Frau dann tot,
gestorben an der Kälte dieser Welt.
Wer hält noch was von christlichem Gebot?
Man weiß, was heut ein Menschenleben zählt.
Der Hauswirt atmet auf. Dem gehts nicht schlecht.
Man hört’s und schweigt. Was fehlt, ist Trost, ein Wort.
Man zweifelt still: War das da denn gerecht?
Und wer dabei war, sagte: Es war Mord.
29.4.14
Existenz III
Man überfährt uns und vergisst uns gleich,
das Leidenmüssen scheint uns angeboren.
So manchem gilt es als das Himmelreich,
ist er darüber auch zu Stein erfroren.
Ist einzig denn die Liebe Lebenshalt,
kann sie allein uns vorm Versteinen retten?
Sie packt uns drängend mit Naturgewalt,
dann trägt man lebenslange Sklavenketten.
Der Gang des Widerspruchs der Irdenwelt
erweist tagtäglich sich als Höllenpein.
Doch sei dies einmal ernstlich festgestellt:
Wer lebt denn anders noch, als sei er Stein?
28.4.14
Langzeitarbeitslos
Die Jahre gehen, kannst sie kaum noch zählen.
Du sitzt zu Haus und spielst dir an den Händen,
du sagst schon du zu Flecken an den Wänden,
dein Tag ist angefüllt bloß mit Querelen.
Am liebsten würdest du dies Dasein schwänzen,
dich nie mehr rumschlagen mit all dem Ärger.
Dann sagte keiner mehr: Du Drückeberger!
Als kleiner Hartzer kennst du die Tendenzen.
Sie sagen Neid, wenn sie dein Elend meinen.
Du suchst und suchst nach irgendeinem Wege.
Sortierst mit Wut im Bauche die Belege,
damit du ja bist mit dem Amt im reinen.
Vom Bildschirm tönen ihre schönen Reden.
Du lachst dich tot, wer soll denn das noch glauben?
Wo sie dir täglich jede Aussicht rauben?
So rumzusitzen! Nein, das ist kein Eden.
Was jetzt noch hilft, ist irgendeine Stelle.
Mit einem Lohn, der reicht fürs Überleben.
Mein Gott, es muss doch irgendeine geben!
Her mit der Stelle, und zwar auf die Schnelle!
11.4.14
Altes Foto
Das war im Jahre Zweiundvierzig wohl.
Idyll mit Kinderwagen, ringsum grün,
noch musste keiner vor den Bomben fliehn,
hier stank es nicht nach Leichen und Karbol.
Man ahnte schon, das bleibt nicht lange so.
Doch wusste wer, was sich im Osten tat?
Ein neues Wort: Es hieß wohl Stalingrad,
es dröhnte siegreich aus dem Radio.
Nur Schein der Friede auf dem alten Bild.
Das Kindchen freute sich, das Wurm ich.
Wie ich im Wagen saß, fast königlich.
Und ja, das Wetter jenes Tags war mild.
3.4.14
Die Vorfahrin
Die alten Augen sehen nicht mehr gut,
das Buch, es liegt so schwer in ihrer Hand.
Sie liest mit einer stillen Wissensglut,
dass sich ihr jedes Wort hat eingebrannt.
Wie dieses Lächeln das Gesicht verschönt,
darüber nicht der kleinste Schatten fällt.
Wohl niemals hat das Leben sie verwöhnt,
mit eignen Händen schuf sie ihre Welt.
Ein altes Foto, das ich kürzlich fand,
das weder Namen noch den Ort verrät.
Ganz sicher ist die Frau mit mir verwandt,
mehr zu erfahren ist es jetzt zu spät.
Von ihr blieb nichts als das vergilbte Bild.
Gern wüsste ich, wer sie gewesen ist.
Mein Suchen aber, das bleibt ungestillt.
Ein wenig, glaub ich, hätt ich sie vermisst.
15.3.14
Sebstbetrug
Du lebst ein Leben nur des Irgendwie,
du hangelst dich am Strick des Zeitlaufs lang,
ein Dasein ohne jeden Notausgang,
begnügst dich mit der Flitterdraperie.
Es ist des stummen Leidens Winterzeit,
das Wölfische des Menschen triumphiert.
Du hast es längst für dich schon akzeptiert,
erträgst es mit gewohnter Frömmigkeit.
Ken Hoffen mehr aufs lichte Anderssein.
Der Kerzenstumpf, der kläglich-trübe glüht,
er existiert nur noch als schönes Requisit –
ist dir des Morgendämmers Widerschein.
10.3.14
Zwei unterhalten sich
Vergiss mal heute nicht den Blumenstrauß.
Und die Pralinen. Dann schluchzt sie dir gleich los:
Du hast daran gedacht! – Und du bist raus.
Was, Alter, hast du denn dagegen bloß?
Ach nee. Du meinst, der blöde Weiberkram,
der kann dir mal, hast nichts am Hut damit?
He! Alter! Kennst du nichts von innrer Scham?
Ich staune bloß. Mensch, pfui, igittegitt!
Du nimmst dein Prachtstück einfach mal beiseite,
gibst ihr den Kuss, auf den sie dir schon spannt.
Sagst dann, jetzt bist du gründlich pleite
und dass dich herzlich freut dein Ehestand.
Na siehste. Ist doch alles halb so schwer.
Und nächstes Jahr, am nächsten achten März,
dann kommst du wieder mit dem Sträußchen her
und machst dann mal so richtig dick auf Herz.
Das müsste alles anders sein, meinst du?
Du wüsstest schon, wo jetzt der Hammer hängt?
Das mit den Frauen ist doch auch nur Schmu?
Womit man höchstens noch die Dummen fängt?
Na klar, das war mal anders, hast ja recht.
Da hilft nur Schlucken, ist jetzt nun mal so.
Das ganze schöne "andere" Geschlecht –
tja, bestenfalls ein kleines Apropos.
8.3.14
Wnn das Geld nicht wär
Am Geldtag machst du dir noch Illusionen:
Du könntest ja, schön wäre es, man müsste,
Der Zipfel Glück, der dieses Dasein süßte …
Schon bist du Opfer deiner Additionen.
Da fällt dir ein: Zu dumm, du musst ja sparen.
Das bisschen Geld muss für den Monat reichen,
die zweite Halbzeit, sie setzt böse Zeichen –
zu gut weißt du’s, zu oft hast du‘s erfahren.
Und auch dein Dispo ist stramm überzogen.
Die Bank besteht auf ihren Wucherzinsen,
schon geht das ganze Rechnen in die Binsen,
und all dein Sparen fliegt dir um die Ohren.
Was dir jetzt fehlt, sind bloß ein paar Millionen.
Du seufzst. Verdammt, ist das ein Hundeleben!
Ach, einmal nur im siebten Himmel schweben!
Verrückt. Und doch, ganz nett die Illusionen.
31.1.14
Gefesselt
Man kann nicht immer, wie man wollen will.
Mit tausend Stricken ist man festgebunden.
Du rütteltst dran, wirst aber mäuschenstill,
sofern du dich nur lang genug geschunden.
Zu fest die Stricke, sagst du dir sodann,
du siehst es ein und dämpfst die Aversionen.
Beileibe kommt man nicht dagegen an!
Denn das sind Träume nur, sind Illusionen.
Du labst am Traume dich, an Freiheitsdüften.
Und wärest doch so gern von Fesseln frei -
dem stolzen Adler gleich, hoch in den Lüften,
doch ist das bestenfalls nur Träumerei.
20.2.14
Wir Trümmerkinder
Wie jeder Mensch, so wurde ich geboren.
Was wusste ich von dieser Welt, dem Kriege,
ich lag noch eingewindelt in der Wiege.
Die falsche Zeit, die ich mir auserkoren.
Man kann in seinem Leben viel vergessen,
die Bombennächte aber sind geblieben,
ins kindliche Gedächtnis eingeschrieben.
Was sonst geschah, das waren Petitessen.
Wir spielten unbeschwert in den Ruinen.
Es war die Welt, die uns der Krieg geboten,
die Welt der Häusertrümmer und der Toten.
Sie lachte nicht, sie schien uns anzugrienen.
Dass nicht vergessen wird, wie wir mal waren,
mit unserm Kohldampf, unsern Alltagssorgen,
der Unbekümmertheit, dem Gruß ans Morgen -
wir Trümmerkinder in den Nachkriegsjahren.
16.2.14
Sonett vom lichtlosen Tag
Der Tag verging, so einer ohne Licht,
von dem ich einfach nichts zu sagen wüsste,
zu blass, als dass man ihn sich merken müsste.
Ein Tag ganz ohne irgendein Gesicht.
Ihn zu berühmen, das gelingt mir nicht.
Ereignislos, ein Tag wie in der Wüste,
so ging er hin – als ob ich dafür büßte,
dass ich mich so gewöhnt an den Verzicht.
Viel lieber würde ich von anderm reden,
von einem Tag, der im Gedächtnis bleibt,
den man sich gern in den Kalender schreibt.
Doch finde mal auf dieser Welt dein Eden -
die Enge grauer Tage ist, was bleibt.
Wohl nichts, worüber man Sonette schreibt.
12.2.14
Fünfzig
Mit Fünfzig, Alter, kannst du dich begraben,
bei deinem Arbeitsamt zählst du nicht mehr,
da läufst du nur als Kunde nebenher.
Tu doch verdammt noch mal nicht so erhaben.
Wer fünfzig ist mit ersten grauen Haaren,
der pfeift für die schon auf dem letzten Loch.
Und doch, du weißt genau, du könntest noch.
Verstehst es kaum, was dir da widerfahren.
Du hast dein halbes Leben hingegeben,
dein Ruf war einwandfrei und ohne Tadel,
gehörtest im Betrieb schon fast zum Adel.
Die Firmenpleite kam dann wie ein Beben.
Fürs Arbeitsamt bist du bloß eine Nummer.
Das musst du lernen: Hier bist du Prolet,
wenn dir der weiße Kragen auch gut steht.
Das ist, so scheint’s, dein allergrößter Kummer.
Denn worauf, Alter, willst du dich berufen?
Du hast doch bloß die Hände und den Kopf.
Versuch’s und zieh dich selber raus am Schopf -
es geht hinab, kaum zählst du noch die Stufen.
Den Billigjob, den hast du ausgeschlagen -
du bist doch wer mit Zeugnis und mit Geist!
Musst lernen, was das Ich verleugnen heißt,
jetzt darfst du erst mal Konsequenzen tragen.
Du weißt, in deiner Lage hilft dir keiner.
Was einmal war, das zählt fürs Amt doch nicht,
macht sich bloß gut für deine Innensicht.
Bist von Millionen Kunden doch nur einer.
5.2.14
Menschenleer
Ein blasser Sonntagmorgen, ohne Charme.
Du spürst, heut bist du wohl nicht ausgeruht,
du muffelst rum, dir ist nicht nach Disput.
Das Radio sagt, es wird bald wieder warm.
Hast keine Lust auf nichts, du starrst stupid
die Wände an und schlurfst genervt ins Bad.
Sogar der Morgenkaffee schmeckt bloß fad.
Auch sonst, dir fehlt heut einfach Appetit.
Der ganze Tag doch nur ein Fehlbetrag,
du fühlst dich innerlich so menschenleer.
Dem trauerst du bestimmt nicht hinterher,
den sollte man bloß streichen, solchen Tag.
2.2.14
Asyl – ein Menschenrecht
Das Häuflein Mensch am Brandenburger Tor
hockt schweigend da, es kämpft um seine Rechte.
Die Hoffnung hält ihn wach, schon Tage, Nächte,
den stummen, ungeliebten Flüchtlingschor.
Das Hungern zehrt an ihrer letzten Kraft.
Asyl, ihr Menschenrecht, kaum noch von Wert,
seit Jahren kämpfen sie um Anwartschaft.
Doch wer in Deutschland hat sie je erhört?
Der Hungerstreik, vor Tagen schon begonnen,
kann keinen hier zu Mitgefühl bewegen.
Und auf die Leiber strömt der deutsche Regen.
Das bessre Leben – wie ein Traum zerronnen.
Wer hierher kommt, geht lieber schnell vorbei.
Touristen sieht man plaudernd Handys zücken.
Doch kein Minister lässt sich hierorts blicken.
Der Fall ist klar – hier braucht es Polizei.
Das Häuflein Mensch am Brandenburger Tor
hockt schweigend da, es kämpft um seine Rechte.
Die Hoffnung hält ihn wach, schon Tage, Nächte,
den stummen, ungeliebten Flüchtlingschor.
15.10.13
Wenn das Geld nicht wär
Am Geldtag machst du dir noch Illusionen:
Du könntest ja, schön wäre es, man müsste,
das bisschen Glück, das dieses Dasein süßte –
schon bist du Opfer deiner Additionen.
Da fällt dir ein: Zu dumm, du musst ja sparen.
Das bisschen Geld muss für den Monat reichen,
die zweite Halbzeit, sie setzt böse Zeichen –
zu gut weißt du’s, zu oft hast du‘s erfahren.
Und auch dein Dispo ist stramm überzogen.
Die Bank besteht auf ihren Wucherzinsen,
schon geht das ganze Rechnen in die Binsen,
und deine Ambitionen sind im Nu verflogen.
Was dir jetzt fehlt, sind bloß ein paar Millionen.
Du seufzst. Verdammt, ist das ein Hundeleben!
Ach, einmal nur im siebten Himmel schweben!
Verrückt. Und doch, ganz nett die Illusionen.
31.1.14
Vor Ort
In Nächten glänzt in voller Pracht der Mond,
paar Silberwölkchen kringeln sich daneben
und was da sonst den Himmel noch bewohnt.
Am Horizont erlischt ein Stern soeben.
Von unsrer Erde hat er mehr nun als genug,
führt jetzt sein sogenanntes Eigenleben.
Was obenrum passiert, scheint Geisterspuk,
doch wir sind fernsehaufgeklärt und wissen:
Nichts da mit Kokolores und Betrug!
Wir wundern uns, begeistert, hingerissen.
28.1.14
Der Traum vom Geld
Die Post von heute, brrh! es ist zum Brechen:
Ihr Konto tief im Minus, schreibt die Bank.
Die halten nur die Hand auf: Bitte blechen!
Das macht auf Dauer doch den Menschen krank.
Das liebe Geld. Mehr musst du ja nicht sagen.
Ganz sonnenklar, wohin du blickst, es fehlt.
Mit Rührung sprichst du gern von jenen Tagen,
als du die Scheine bloß so hingezählt.
Ach ja, du müsstest mal ganz groß gewinnen,
ein paar Millionen, dass es länger reicht.
Wie willst du denn der Armut bloß entrinnen,
der Traum vom Geld bleibt ewig unerreicht.
Verflixt, so kann es doch nicht weitergehen!
Das mit dem Gashahn lässt du lieber sein,
und du sagst dir, das kann ja jeder sehen:
Du bleibst auf ewig bloß das arme Schwein.
13.1.14
Amtliches
Ich kenn ein Haus, das hat so viele Fenster.
Wer reingeht, wird stracks von der Welt verdammt.
Dort hausen schreckliche Papiergespenster -
Sie ahnen’s schon: Es ist das Arbeitsamt.
Die oben sagen: Prima Arbeitslage!
Weshalb das Amt auch meistens überfüllt.
Das kommt, das weiß man ohne Gegenfrage,
weil man dort alle Wünsche eifrigst stillt.
Nicht oft genug kann man das Amt nur loben.
Wer rauskommt, hat die Stelle schon in petto,
er schwenkt Bescheide freudig hocherhoben
und summt ein Hoheliedchen im Larghetto.
Auch ist Hartz IV Millionen eine Wohltat,
wenn’s mit der Stelle nicht gleich klappen tut.
Laut Grundgesetz herrscht hierorts der Sozialstaat
mit allem Drum und Dran und absolut.
Wer jetzt noch meckert oder Aufstand predigt,
der ahnt nicht, wie das Arbeitsamt ihn hebt.
Der ist für Wohlstandsbürger glatt erledigt,
der hat für die doch glatt umsonst gelebt.
11.1.13
Advent, Advent, ein Lichtlein brennt
Nie liebte man die Armen mehr als jetzt,
die Hartzer, die Versehrten, Obdachlosen.
Voll Mitleid scheut das Bürgertum entsetzt
und spendet Weihnachtsplätzchen und Almosen.
Die armen Leute, die „das Schicksal“ beutelt,
das Gott uns füglich zugedacht
(an seiner Weisheit wird nicht rumgedeutelt),
bestaunen selig diese Spendenpracht.
Selbst harte Rechner werden butterweich,
man zelebriert mit Pomp ein Spendenritual.
So kommt man heil ins Himmelreich,
auf nass, hach Gottchen nee, das war einmal.
Und Vater Staat entledigt sich der Pflichten,
man hat die Krise, schließlich eigne Sorgen.
Die Caritas wird’s gütig für ihn richten,
jaja, die schwäbsche Hausfrau denkt an morgen.
Ein jeder ist doch seines Glückes Schmied,
sagt sich, wer irgend Reichtum hat gerafft.
Das Armsein kommt vom Armsein explizit,
dozieren Professoren tugendhaft.
19.12.13
Straßenpassanten
Man geht vorüber, man hat seine Sorgen,
dein Blick streift einen, der da sitzt und schweigt.
Sofort steht fest, du weißt: Der kennt kein Morgen,
für den hat sich, was Zukunft heißt, vergeigt.
Mitunter klirrt es auf dem Bettelteller,
doch keiner fragt, wie es dem Manne geht.
Man ist beschäftigt, geht ein bisschen schneller,
ist indigniert, als Mensch ist man Ästhet.
Du denkst, der hat schon gestern dagesessen,
der trägt sein Elend doch mit viel Geschick.
Nach ein paar Schritten hast du ihn vergessen.
Und keiner, keiner blickt noch mal zurück.
27.11.13
Das bisschen Existenz
Dann sitzt du da, den Kopf voll Sorgen.
Du weißt nicht, was der nächste Tag dir bringt,
du fürchtest diesen andren Morgen.
Hast es im kleinen Finger: Nichts gelingt.
Und Tag für Tag bloß Illusionen:
Was wäre, wenn? Du willst ja nicht sehr viel,
doch keine großen Sensationen.
Nur dieses bisschen Sicherheitsgefühl.
Doch nicht mal das will man dir gönnen.
Hast dich schon lang gewöhnt an diesen Drill.
O Gott, man müsste schreien können!
Du blickst zum Fenster: Draußen ist es still.
18.10.13
Haustürgeschäft
Da steht die Frau vor meiner Tür,
im Arm den Riesenpacken Zeitung,
ein bisschen schüchtern nach Gebühr,
ganz ohne jegliche Begleitung.
Ein Billigjob, man siehts ihr an,
und noch nicht lange im Geschäft,
ihr geht es so wie jedermann.
Sie zückt schon mal ihr Aboheft.
Sie lächelt, etwas fadenscheinig,
ich seh, sie ist nicht gut frisiert.
Wir beide werden handelseinig:
Das Blatt vier Wochen abonniert.
Ich höre noch ihr leises Danke,
als sie schon längst die Treppe steigt.
Und mich beschäftigt der Gedanke,
wer dieser Welt die Fäuste zeigt.
11.10.13
Bestandsaufnahme
Man lebt hinein in seinen Tag wie nichts.
Und selten fragt man, was da einmal war.
Welt, wie sie ist, muss einfach sein und klar
inmitten eines Daseins des Verzichts.
Was man vergessen soll, vergisst man nie.
Weil es dein Leben war, mein guter Freund.
Und wenn es dir jetzt etwas anders scheint,
dann siegt sie über dich, die Phantasie.
Nun ja, noch sei es nicht das große Glück.
Es ist dir peinlich, du bist reingefallen,
so geht es nicht nur dir, so geht es allen.
Ernüchtert blickst du auf den Weg zurück.
Kaum glaubst du noch ans eigne Überleben
in dieser Welt des Albtraums, der Fassaden.
Du lebst bloß hin, von Arbeitsamtes Gnaden.
Und nie, sagst du, wirst du dir je vergeben.
7.10.13
Weil du arm bist
Der Friedhof gestern, als wir uns dort fanden,
schon Herbst, und jeder von uns dachte still:
So ist es nicht, dass es der Herrgott will –
die Jutta hat dem Krebs nicht widerstanden.
Sie starb den Tod, den wir noch vor uns haben,
darauf sind kleine Leute abonniert,
wir sehen doch, wohin die Chose führt,
und täglich tief und tiefer wird der Graben.
Die heutige Zweiklassenmedizin
tut alles für die Leute mit dem Geld,
die werden ganz schnell wiederhergestellt,
wir Armen sitzen im Schlamassel drin.
Wir wussten unsrer Jutta nichts zu sagen,
wir standen da und blickten bloß hinab,
und einer warf die Blumen ihr ins Grab.
Nur Zorn blieb uns, das kalte Unbehagen.
29.9.13
Alte Frauen
Von Welt verlassen, allen Träumen
des Gestern, sterben alte Frauen,
von Wünschen frei und langem Säumen.
Worauf auch sollen sie vertrauen.
Bedrückt von ihres Lebens Plagen,
verzichten sie auf viele Worte.
Sie haben ihr Geschick getragen,
sind auf dem Weg zum letzten Orte.
Der Tod kommt ihnen wohlgelitten,
und ohne Klagen und Bedenken
vergehen sie in unsrer Mitten.
Wer wollte ihrer noch gedenken.
20.9.13
Katzenstunde
Wenn wieder so ein Tag vorübergeht,
das TV schweigen muss - es ist nichts drin,
und alle Uhren zeigen jetzt auf Spät,
dann sagst du dir: Na immerhin, ich bin.
Derweil hat Brüssel uns die Welt gerettet,
weil schon der nächste Schuldenstaat krepiert.
Ein Banker hat mal wieder sich verwettet
und ahnte vorher doch, dass er verliert.
Das steht so in der Zeitung auf dem Tisch.
Du blätterst drin: Die haben viel zu schreiben.
Und sind dabei ja höchst erfinderisch,
man kann es auch mal zünftig übertreiben.
Und hinter Wänden hockt die Einsamkeit.
Der Hund von nebenan, der heult und bellt.
Das arme Tier hat mehr Empfindsamkeit,
als das sein Mensch sich mal hat vorgestellt.
Du sitzt wie Mona Lisa, lächelst still.
Dir geht so allerlei durch deinen Sinn.
Du denkst ans Wetter, macht ja, was es will.
Dann sagst du dir: Na immerhin, ich bin.
5.5.13
Auf Horchposten
Ach Gott, wie praktisch, man ist nie allein,
hier sind die Wände ja aus Löschpapier.
Grad über mir brüllt einer wie ein Stier,
das muss der nette Hausherr selber sein.
Die Blumenvase von der Schwiegermutter?
Verstehen kann man nichts. Doch ganz gut hören.
Die lassen sich partout von keinem stören.
Na, jetzt scheint alles wieder ganz in Butter.
Nun sitze ich für mich hier ganz alleine rum.
Mich langweilt’s, oben gibt man erst mal Ruhe.
Egal, was kommt, was ich auch tue -
ich brauch nun mal der Nachbarn Fluidum.
3.4.13
Der kleine Angestellte
Ich hab die Pest. Da kennt mich keiner mehr.
Die Pest, die widerlich nach Armut mufft.
Das Kleingeld fehlt, ich renn dem hinterher,
ich bin wohl nicht genügend ausgebufft.
Der treue Angestellte, der ich war,
ist lange schon passé. Nun bin ich stellenlos,
ein Kunde auf dem Amt, bin austauschbar.
Hier gibt man mir den letzten Gnadenstoß.
Mit Fünfundfünfzig hat man ausgedient.
Ich war mein halbes Leben gut genug.
Beim Abschied hat der Chef mich angegrient.
Mir ist noch heute so, als war’s ein Spuk.
Und nie, ich schwör, hab ich mal aufbegehrt.
War stets loyal und machte niemals Stunk.
Erst heute weiß ich: War total verkehrt.
Und vor drei Jahren dann die Kündigung.
Man klagt ja nicht, man zieht Fassaden hoch.
Noch immer habe ich so was wie Mut,
versteck mich nicht im letzten Mauseloch.
Nur - manchmal überfällt mich nackte Wut.
Ich komm nicht los von meiner Armutspest.
Mich tröstet nicht, wenn’s andern mieser geht.
Und seh ich die, das gibt mir dann den Rest.
Für mich, wer weiß, ist alles schon zu spät.
Wer profitiert von meinem Hundeleben?
Wer wird das Minus mir jemals begleichen?
So’n reiches Land. Muss es da Arme geben?
Vielleicht, denk ich. Sonst gäb’s ja keine Reichen.
12.3.13
Besuch bei Muttern
Du kommst vorbei, sagst du am Telefon,
und bringst mir eine Überraschung mit.
Dann tauchst du auf bei mir wie ein Zyklon.
Mit dem bekannten Riesenappetit.
Der Berg auf deinem Teller ist verputzt.
Und zaghaft frag ich: „Sohn, wo brennt es denn?“
Du blickst mich an, wie immer leicht verdutzt,
und druckst herum und spielst den Gentleman.
„Versteh. Ich bin zu alt, dich zu begreifen,
du kommst allein zurecht mit dem, was war.“
Da stehst du auf und lässt die Blicke schweifen,
gibst wie gewohnt mir einen Kuss aufs Haar.
Und drückst herum an meinen alten Händen –
als ob dir irgend etwas überschwappt.
Ich bleib zurück mit mir und den vier Wänden.
Und hör bloß noch: Die Wohnungstüre klappt.
20.1.13
Laufkundschaft
Hartzer rosten in den Stuben,
steigen niemals nirgends Treppen,
müssen dicke Bäuche schleppen,
reinste Kaloriengruben.
Sollen sprinten, dass sie schwitzen,
kräftig drücken auf die Tuben!
Also sieht man Hartzer flitzen,
Straßen queren, Schritte zählen,
eifrig sich den Speck abquälen.
Alles, um dem Job zu nützen.
7.12.12
Tafelgedanken
Wenn du ganz unten bist, dann bleibt die Tafel.
Vergiss, wer du mal warst, und lass die Scham.
Hier gibt dir keiner was für dein Geschwafel,
du kennst doch deine Lage. Bleib mal zahm.
Dann stehst du. Bist der Letzte in der Schlange.
Dann bist du dran. Die packen dir was ein.
Du lächelst dankbar, aber nicht sehr lange.
Denn das geschenkte Brot ist schwer wie Stein,
der dir jetzt dauernd bloß am Halse hängt.
Du fragst dich still, wofür du dich so plagst.
Du registrierst. Du fühlst dich eingeengt.
Die lächeln, wenn du was von Würde sagst.
Dir steigt was hoch, du fühlst nur Wut in dir.
Beherrschst dich aber, bleibst erst mal gesittet.
Du hast doch Rechte! Und wo sind sie hier?
Und du begreifst: Hier wird doch was gekittet!
Dich quälen Fragen. Antwort weißt du nicht.
Empört besiehst du dir den Tafelfraß:
Warst du denn darauf wirklich so erpicht?
Man müsste, und man sollte … Aber was?
29.4.14